Lang: Immer nach Hause (Kurzvorstellung)

Der Journalist und Autor Thomas Lang hat auf der Basis der bekannten Dinge aus Hermann Hesses Leben einen fiktiven Roman geschrieben, einen Künstlerroman „voller Sympathie, Witz und universeller Wahrheit“, so der Klappentext.
Unterteilt ist der Roman in zwei Teile, einmal 1907 (Der Ewige Friede), dann 1918 (Liebe im Krieg (sicher doppeldeutig gemeint)), letzterer jedoch auch mit Rückblenden in die Kriegsjahre. Eingerahmt wird der Text von Briefauszügen Hesses, die zu Beginn des Buches von der bevorstehenden Heirat mit Maria Bernoulli handeln, am Ende von der Trennung von dieser, seiner ersten Frau.

3 Jahre nach der Hochheit wohnen die Hesses in Gaienhofen am Bodensee, planen nach der Geburt des ersten Sohnes den Neubau eines Hauses, aber Hermann zieht es fort von dieser familiären Situation. Hesse fehlen „Menschen, gleichgestimmte, anregende“. Er hört vom Tessin, vom Monte Verità und beschließt, dort seine gesundheitlichen Probleme angehen zu wollen. „Lang: Immer nach Hause (Kurzvorstellung)“ weiterlesen

Fehlbesuch Monte Verità

Anläßlich unseres Ligurien-Urlaubs im Oktober 2021 hatte ich vorab ein „Traumziel“ erwähnt, das ich – anreisend – kurz besuchen wollte, jedoch den Namen verschwiegen. Nachher teilte ich nur am Rande mit, daß es nicht geklappt hatte – und ja, es war der Monte Verità. Hier nun ein paar Fotos und eine Beschreibung dieses mißglückten Besuchs.

Dazu lese ich gerade das Buch von Stefan Bollmann: Monte Verità. 1900. Der Traum vom alternativen Leben beginnt. Ich werde gleich nach Beendigung der Lektüre hier eine kurze Rezension schreiben, auch weil ich denke, daß dies das definitive deutschsprachige Buch über den Berg für unsere Zeit sein könnte.

Bollmann beschreibt, wie die 5 Gründerpersonen sich das erste Mal dem Berg „von hinten“, von der Bergseite her nähern. Es führe ein alter Pilgerpfad zum Bergplateau, vorbei an einer alten Wallfahrtskirche, wo, so Bollmann, in einer Zeit großer Dürre plötzlich eine Quelle entstanden sein soll. Dieser Pfad führe zu einer Lichtung zwischen den drei Bergen (Monte Verità und den beiden dahinterliegenden: Balladrum (bzw. -drüm) und Gratena). „Fehlbesuch Monte Verità“ weiterlesen

Eventi Letterari 2021

Ich habe in den letzten Jahren auf das Literaturfestival auf dem Monte Verità hingewiesen, erstmalig wohl 2013. Da ich mich nie intensiver damit befaßt habe, auch heute nur kurz der Hinweis auf das aktuelle Festival ab 11.11.2021 mit dem Fokus auf dem Schriftsteller Dante Alighieri unter dem Titel „Another Life“, der auch auf das Leben „nach der Pandemie“ anspielt. Weitere Infos auf der Homepage.

1900 – P. Michalzik – Kurzrezension

Fangen wir zunächst damit an, daß Titel und Untertitel ein wenig irritieren: man geht davon aus, eine Beschreibung der aufkommenden Lebensreformbewegung um die vorletzte Jahrhundertwende vor sich zu haben, de facto ist das Buch aber auf die Kolonie auf dem Monte Verità am Lago Maggiore fokussiert. Dennoch ist der Titel nicht ganz abwegig, da viele Details rund um den Hauptstrang der Erzählung die Lebensreform allgemein beschreiben.

Auf den ersten ca. 30 Seiten fand ich es schwer, in einen Lesefluß zu kommen, da der Autor kollagenartig verschiedenste Personen und Orte verknüpft und ständig zwischen ihnen wechselt. Da springt man mit Gerhart Hauptmann von dessen Begegnung mit dem Wanderprediger Johannes Guttheil zu Nietzsches bevorzugter Schinkensorte… Doch Michalzik schafft es, die Stränge wieder zu bündeln, Beispiel von Seite 24: „Tolstoi, Nietzsche, Hauptmann, Guttzeit, sie alle berühren eine Idee (…), die größer ist als sie.“  „1900 – P. Michalzik – Kurzrezension“ weiterlesen

Buch: Monte Verità (Stefan Bollmann)

Es gibt ein neues Buch über den Berg der Wahrheit, im Oktober ist es bei der Deutschen Verlagsanstalt erschienen. Laut Beschreibung auf Amazon erzählt der Autor, Stefan Bollmann, „auf der Basis neuer Quellen die Geschichten hinter den Legenden“. Es sei ein „mitreißendes Panorama der Gegenkultur, ein Fest des Lebens wie des Erzählens“. Das klingt gut, allerdings scheinen die bisherigen vier Rezensenten auf Amazon das nicht so zu teilen. Zwei davon werfen dem Autor vor, zu oberflächlich und unstrukturiert zu schreiben, quasi „fleischlose Kost“ im übertragenen Sinne zu liefern. Eine Rezensentin verweist darauf, daß Mühsams „Ascona“ sowie Landmanns Buch die bessere, weil besser geschriebene Wahl seien. Möglicherweise ist das auch ein typisches Merkmal des Autors, das ich in Ermangelung eigener Lektüre von ihm nicht beurteilen kann. Sein Buch über Goethe wird auf der Verlagsseite auch als „charmante wie leichtfüßige Besichtigung von Goethes Leben“ bezeichnet. Vom Titel her auf eine ähnliche Bearbeitung des Themas läßt z.B. auch das Buch „Frauen, die lesen, sind gefährlich und klug“ schließen.

Die taz berichtete gestern über das Buch. Dort wird hervorgehoben, daß Bollmann die Biographien der Eigentümer / Besucher gut herausarbeitet. Lediglich die Vergleiche zu späteren Subkulturen blieben etwas blutleer bzw. plakativ.

Neue Lektüre (Monte Verità)

buch013… ist heute eingetroffen:

Robert Landmanns Darstellung der lebensreformerischen Siedlung auf dem Monte Verità , erschienen 1979 im Ullstein-Verlag. Die Wikipedia weiß, daß „Robert Landmann“ ein Pseudonym Werner Ackermanns ist, einem Schriftsteller, der zeitweise Miteigentümer der „Künstlerkolonie Monte Verità “ war. Also lasse ich mich aus „berufenem Munde“ ein wenig – nach der kurzen Beschäftigung mit Erich Mühsams Schrift – über den Berg der Wahrheit informieren.

Von Ascona bis Eden

Die Erich-Mühsam-Gesellschaft Lübeck gibt eine Schriftenreihe heraus, deren Heft 27 mir durch Zufall bei Ebay aufgefallen ist.
Das 160 Seiten starke, 2006 erschienene Büchlein informiert über ‚Alternative Lebensformen‘ (Untertitel), wobei Mühsams eigene Broschüre „Ascona“ Ausgangspunkt ist und bereits die ersten 40 Seiten beansprucht. Dieser Text war wohl auch eine Grundlage der 2005er Tagung der Mühsam-Gesellschaft, auf der man sich neben Ascona auch mit Eden, Worpswede / Barkenhoff sowie Gustav Landauers Siedlungsidee befaßte.

Mühsams kurzweilige, 1905 erstmals erschienene Beschreibung Asconas ruft ein lebendiges Bild des Ortes und seiner Bewohner hervor. Natürlich schildert der von den Nazis ermordete politische Aktivist Ascona auch „durch seine Brille“: „Hier weiß das Volk, dass eine Befreiung von allem Staats- und Kirchendruck nur möglich ist durch das Einsetzen jeder einzelnen Persönlichkeit, durch Verweigerung der Arbeitskraft – durch den Auszug auf den heiligen Berg.“
Doch mit allem, was Mühsam sah, war er nicht einverstanden, manches kommentiert er spöttisch. Berühmt wurde sein „Gesang der Vegetarier – Ein alkoholfreies Trinklied„. Carl Gräser, Lotte Hattemer, Elly Lenz, Baron Alexander von Rechenbach-Linden sowie Johannes Nohl werden ausführlicher vorgestellt. Für Mühsam ergibt sich das Fazit, Ascona sei prädestiniert „zu einer Sammlungsstätte solcher Menschen, die infolge ihrer individuell gearteten Veranlagung ungeeignet sind, jemals nützliche Mitglieder der kapitalistischen menschlichen Gesellschaft zu werden.“
Für ihn ist Ascona Zufluchtsort, ein Ort, an dem man menschenwürdig leben kann, auch wenn man dazu alkoholfreie Trinklieder singen muß.

Das Buch umfaßt dann noch Christoph Knüppels Vortrag über Landauer mit Vorstellung einiger „Anarchisten in der Obstbaukolonie Eden“ (Carl Tomys, Friedrich Lisowski, Alfred Starke). Gerhard Semper, Vorstandsvorsitzender der Eden-Genossenschaft von 1998 – 2005, sprach über „Eden – eine lebendige Idee (? oder !)“; Ernstheinrich Meyer-Stiens stellt Heinrich Vogeler vor; Siri Hølmebakk geht auf das Schulprojekt Tvind in Dänemark ein; Kirsten Larsen Mhoja gibt eine kurze Einführung in den Freistaat Christiania (1971 – 2005).
(Gerade wenn ich Christiania lese, muß ich an mein Studium zurückdenken, in dem ich mich u.a. mit Methoden der Sozialarbeit befaßt habe. Eine Methode, die Arbeit mit Kollektiven, heißt Gemeinwesenarbeit, seinerzeit ein Schwerpunkt für mich. Und die Gemeinwesenarbeit wurde als „Miljö“-Arbeit gerade in Dänemark geprägt. Auch die Arbeitersiedlung Eisenheim hat mich damals fasziniert.)
Im Buch folgt Stephan Kürles Vorstellung eines Jugendzentrums „Die Alternative“ in Lübeck, den Abschluß bildet ein interessanter Text über den Arzt Karl Strünckmann (1872 – 1953). Der Autor Oliver M. Piecha untersucht das „Weltbild eines deutschen Diätarztes“ und gibt „Anmerkungen zum Verhältnis zwischen Lebensreform und völkischem Fundamentalismus“. Zitat: „Strünckmann folgte Zeit seines Lebens den oft irritierenden und verschlungenen Pfaden deutscher Sinnsuche zwischen Kritik an der industriellen Moderne, lebensreformatorischen Experimenten und einem unbändigen Wunsch nach spiritueller ‚Ganzheit‘.“

Heft 27 der Mühsam-Gesellschaft ist eine kostengünstige Möglichkeit, sich über Siedlungsprojekte sowohl der Lebensreformzeit als auch modernen Ablegern zu informieren. Im Auge sollte man dabei behalten, daß der Schwerpunkt politisch deutlich „links“ bis anarchistisch liegt.