Neuerscheinung: Lichtwärts! (C. Wagner)

Der Verlag Regionalkultur hat seinen Sitz nahe Bruchsal in Baden-Württemberg. Das Buch des Monats Oktober befaßt sich mit der Lebensreform im „Südwesten“. Autor ist Christoph Wagner. Er befaßt sich in dem Werk mit Lebensreform, Jugendbewegung und Wandervogel, die als die „ersten Ökos im Südwesten“ bezeichnet werden. Der im Untertitel angegebene Zeitraum ist 1880 bis 1940. Laut Verlagsinfo (o.a. Link) zeichnet der Autor das Bild dieser Bewegungen, wobei auch die „düsteren Seiten“ (z.B. Rassismus) nicht ausgelassen würden. Ich bin sehr gespannt und werde das Buch im Winter 22/23 rezensieren.

Das gebundene Buch umfaßt 280 Seiten mit 235 Abbildungen; es kostet 34,80€. (Das Bild wurde der Presseinfo des Verlags entnommen.)

Nachtrag 8.11.22: achtminütiges Feature des SWR zum Buch und Thema

Internationaler Tag der Nacktheit

Zum heutigen „Internationalen Tag der Nacktheit“ ein Verweis auf eine Umfrage von YouGov dazu, ob und wo sich Deutsche nackt wohlfühlen. Man kann das gern selbst nachlesen; die Zahlen zeigen m.E. den schon lange beobachtbaren Rückgang des Themas FKK in der Öffentlichkeit.

Andererseits ist FKK (als Bewegung) „sehr deutsch“, findet Hans Bergemann, Mitarbeiter der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft im Interview mit Jungle.world. Er verweist darauf, daß es einen Spannungsbogen gibt zwischen der medial sehr präsenten Nacktheit und deren Rückgang im privaten Bereich. Für Bergemann ist dieser Rückgang ein Verlust von Freiheit: FKK stand einmal für Freiheit, doch die Bedeutung des Entblößens im Sinne des Gewinns an Freiheit habe sich verloren. Im Sinne der Freikörperkultur sei die Nacktheit ideologisch überhöht worden, wobei das Thema „Sex“ weggefallen sei.

In einem kurzen Beitrag berichtet die WELT davon, daß das „schwedische Baden“ (= Nacktbaden) nicht auf die DDR zurückgehe, sondern, wie sicher viele wissen, auf die Kaiserzeit. Claudia Rusch berichtet über ihre eigenen Erlebnisse.

Beim TAG24 hat man diese Erklärung dafür, daß FKK bei jungen Leuten nicht mehr in ist: „Sich komplett textilfrei zu zeigen, macht schutzlos. Dabei will man doch vor allem in der heutigen Zeit den perfekten Anschein wahren.“ (Ein Zitat des „Geschlechterforschers“ Matthias Stiehler)
Da ist auch aus meiner Sicht etwas dran. Aber es ist nur ein Aspekt. Ein anderer ist die Verfügbarkeit guter Foto-Handys, mit denen alle privaten Anlässe festgehalten und über soziale Medien geteilt werden. Natürlich gab es auch früher Fotografie, aber heute kann man „unbemerkt knipsen“ und das Ergebnis geht innerhalb von Minuten einmal um die Welt…
Möglicherweise ist da noch eine Sache: Bei den Jugendlichen, die ich kenne, erlebe ich eine starke Verhaftung am Zeitgeist, einen deutlichen Trend zur Uniformität in Kleidung und Lebensäußerungen. Subkulturen scheinen abzunehmen, während die „Einheitskleidung“ der jungen Menschen überall zu sehen ist. Ein Freund sagte neulich: „Schau dir mal das Mädel da an, höchstens 14, sieht aber in den Klamotten wie 18 aus.“
Mir stellt sich gerade auch beim Blick auf meine Söhne immer wieder die Frage, wo sich diese jungen Menschen verorten, was ihre Lebensträume sind. Oft geht das in Richtung „guter Job“, Geldverdienen, Urlaube, Dolce Vita. Wenn ich das bei mir „sacken lasse“, da entsteht die Frage nach Selbstbestimmung, Freiheit, Transzendenz.

Kleiner Tip noch zum Ende: Lesenswert ist das Buch „A Brief History of Nakedness“ von Philip Carr-Gomm, Leiter des Ordens der Barden, Ovaten und Druiden.

Neuzugang in der Bibliothek

„Das Neue“ kann nicht gleich den freundschaftlichen Kontakt zu seinen Artgenossen suchen, denn alle Bücher – nicht nur die zur Lebensreform – sind derzeit wegen Renovierung in Kisten verpackt und warten auf ihre Wiederkehr in ein völlig neues, modernes Regal. Also muß es warten. 🙂

2013 auf 14 wurde die Ausstellung „Aufbruch der Jugend“ gezeigt, ich hatte kurz darauf hingewiesen. Seit damals hatte ich mich bemüht, den Ausstellungskatalog, ein gebundenes Buch, zu bekommen. Er war offiziell ausverkauft; Anbieter über Buchportale forderten teils 100€ und mehr. Jetzt ist es mir gelungen, das Buch zu einem sehr guten Preis zu ergattern.

In dem Buch, untertitelt „Deutsche Jugendbewegung zwischen Selbstbestimmung und Verführung“, wird der Bogen gespannt von den Anfängen des Wandervogels vor dem Ersten Weltkrieg über die Beziehung von Jugendbewegung und Hitlerjugend bis zu den Protestjahren in den 1960ern – hier inbesondere mit einem Kapitel über die Festivals auf Burg Waldeck 1964-69.
Schaut man das mit vielen Bildern und Grafiken illustrierte Buch an, kann man verstehen, wieso es kaum erhältlich ist. Es ist mit Sicherheit eine fachlich gelungene Abrundung der bisherigen Literatur zur Jugendbewegung. Ich werde auf jeden Fall an den kommenden (hoffentlich warmen) Abenden auf der Veranda mal hineinschmökern.

Magazin und Tagung

Zwei kurze Hinweise:

Da ist zum einen das Magazin „Maas – Impulse für ein erfülltes Leben“, interessanterweise mit dem Nachnamen der Inhaberin des „animaa-Verlages“ betitelt. Man möchte Aktionen, Projekte, Menschen vorstellen, die „Mut machen“ und inspirieren. Es geht um das Leben in Harmonie mit der Umwelt und um positive Veränderungen.
Die ersten drei erschienenen Ausgaben haben die Titelthemen „Beruf und Berufung“, „Frauen und Männer“, „Leben und Sterben“.  Im Dezember geht es mit „Individuum und Gemeinschaft“ weiter. Auf „OpenPR“ findet sich noch ein längerer Werbetext, daraus dieses kurze Zitat:
„maas ist ganzheitlich und ökologisch ausgerichtet, konsumkritisch und lebt intensiv den Gedanken der Stärkung durch Vernetzung. Maas fördert Menschen und Projekte und ist prall gefüllt mit Wissen, Inspirationen und Mut-Mach-Geschichten. maas findet bewegende Perlen und Helden/Heldinnen des Lebens und des Alltags. maas ist Lesegenuss für viele, viele Stunden.“

Zum anderen ist das die hier vor längerer Zeit schon einmal erwähnte Tagung des Archivs der Deutschen Jugendbewegung (Burg Ludwigstein), vom 21. bis 23. Oktober 2016, auf die Susanne Rappe-Weber in einem Artikel bei H/Soz/Kult hinweist. Die Tagung steht unter dem Motto:
Avantgarden der Biopolitik. Jugendbewegung, Lebensreform und Strategien biologischer ‚Aufrüstung'“.

Rappe-Weber stellt das Thema kurz vor (19. Jhd., Angst vor Degeneration – sowohl des eigenen Körpers, als auch des Volkes, daher ‚Aufrüstung‘, um ’stark, gesund und rassisch rein‘ zu bleiben), gefolgt vom Tagungsprogramm.

Avantgarden der Biopolitik (Tagung)

Das Archiv der Jugendbewegung hat im Jahr 2016 das Jahresthema Avantgarden der Biopolitik, Jugendbewegung, Lebensreform und Strategien biologischer „Aufrüstung“.  Hierzu findet eine Archivtagung vom 21.-23. Oktober 2016 auf der Burg Ludwigstein statt.
Link zum Einladungsflyer (nicht mehr online, daher Links zur Tagungsseite) (PDF)

Uwe Puschner spricht zu „Körperlichkeit und völkischer Aufbruch“, Christina Niem über den Verleger Eugen Diederichs, Gabriele Guerra über Gustav Wyneken und die Freie Schulgemeinde Wickersdorf – als Beispiele. Das gesamte Programm ist höchst interessant.

Aufbruch der Jugend (Ausstellung)

Passend zum Meißnerlager 2013 zeigt das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg vom 26.9.13-19.1.14 die o.g. Ausstellung mit dem Untertitel von der Jugendbewegung „zwischen Selbstbestimmung und Verführung“. Man kooperiert mit dem Archiv der Jugendbewegung auf Burg Ludwigstein.
Info

Meißner 2013

Im Jahr 1913 traf sich die Jugend, d.h. zumeist die in Wandervogel-Bünden organisierte, wobei studentische dominierten, auf dem (später so genannten Hohen) Meißner in Nordhessen zu einem ersten Freideutschen Jugendtag. Ich hatte das in diesem Beitrag bereits kurz angeschnitten und auch darauf hingewiesen, daß es eine Diskussion darum gebe, ob auch als „rechts“ eingestufte Bünde teilnehmen dürfen. Seinerzeit erhielt ich inoffiziell die Info, daß z.B. Freibund oder Fahrende Gesellen nicht kommen „dürfen“. „Meißner 2013“ weiterlesen

Jugendbewegung

Im Rahmen der Lebensreform hat mich schon länger das Thema „Jugendbewegung“ interessiert, allerdings habe ich bis dato darüber kaum etwas gelesen. Zwar besitze ich zwei alte Wandervogel-Liederbücher, nämlich den Zupfgeigenhansl von Hans Breuer aus dem Jahre 1913 (und da vorne ein Besitzvermerk von Juli 1913 eingetragen ist, kann es durchaus sein, daß das Büchlein auch beim Ersten Freideutschen Jugendtag auf dem Hohen Meißner mit im Gepäck war) sowie das Wandervogel-Liederbuch von Frank Fischer aus dem Jahre 1912 (für das gleiches gilt). Aber diese Büchlein entsprangen dem Interesse an Volks- und Wanderlied, also nicht dem an der Wandervogel-Bewegung als solcher. Aber doch sind sie ein Strang in diesem langsam sich formulierenden Wunsch nach weiterer Lektüre, weiterem Kennenlernen. Ein Meilenstein war für mich Der Wanderer zwischen beiden Welten von Walter Flex. Dieses Zitat ist mir seitdem immer präsent:
„Gelassenheit war eins seiner Lieblingsworte, in ihr sah er das Wesen menschlicher und männlicher Würde, heitere und lässige Sicherheit lag immer wie ein Glanz über seinem Wesen, und es war in ihr soviel menschliche Anmut wie männliche Würde.“
„Jugendbewegung“ weiterlesen