Buhl: Das Paradies des August Engelhardt (Kurzrezension)

Wer aber Ruhe und Frieden in sich trägt, der sehnt sich hinaus aus dem lärmenden Kulturleben, er sehnt sich nach dem Frieden auch in der Welt, in der er lebt. Hier ist diese Welt des Friedens.

Der „Kokovore“ (Kokosnußesser) August Engelhardt lebte von 1875 bis 1919. Er kehrte Deutschland den Rücken, um im Pazifik auf einer kleinen Insel ein lebensreformerisches Auskommen zu finden. 1902 traf er auf der Insel Kabakon ein, lebte fortan v.a. von Kokosnüssen und ging nackt. Mit weiteren Ankömmlingen gründete er den „Sonnenorden“ (s. Infos bei der Wikipedia). Das Projekt destabilisierte sich, Engelhardt erscheint anderen als „geisteskrank“, ab 1906 warnte die Zeitschrift „Vegetarische Warte“ davor, nach Kabakon zu reisen. Im Ersten Weltkrieg fiel die Insel an Australien, Engelhardt wurde interniert, starb später an Malaria und wurde an unbekanntem Ort begraben. Seine Bibliothek schüttete man ins Meer, das Restvermögen der Kokosplantage fiel an den australischen Staat. Ein trauriges Ende… „Buhl: Das Paradies des August Engelhardt (Kurzrezension)“ weiterlesen

oben ohne – unten ohne – Wo führt’s hin?

Als die historischen Lebensreformer die „Hüllen fallenließen“ und nackt badeten oder sich sonnten, war dies nicht per se ein gesellschaftspolitischer Akt, sondern reformatorisches Bemühen um die eigene Gesundheit, um das bessere Leben.

Heute haben wir es mit einer anderen Problematik zu tun. Ich habe bereits hier etwas geschrieben und dabei die Entwicklung im Sinne von Gleichheit und mehr Offenheit bzgl. der Präsentation des eigenen unbekleideten Körpers in der Öffentlichkeit tendenziell begrüßt.

Allein: der große „Oben-ohne-Run“ bleibt aus. The GermanZ zitiert die Sprecherin der Berliner Bäder: oben ohne sonnen war sowieso schon erlaubt. Vereinzelt sieht man Frauen nun oben ohne schwimmen, aber es ist kein großer Trend, und es beschwert sich wohl auch niemand. „oben ohne – unten ohne – Wo führt’s hin?“ weiterlesen

Thema Covid-19 hier im Blog (2020-2021)

Einer  der Gründe für die Löschung des Blogs im Frühwinter 2022 war, daß ich mich am Thema Covid-19 „festgefressen“ hatte. Ich warf gefrustet zuviele kleine Schnipsel ins Blog und verwässerte das eigentlichen Thema. Hinzu kam der Frust über mein „Einknicken“ hinsichtlich der Gentherapie. Ich will / muß das Kapitel abschließen, daher hier eine Auflistung der nicht gelöschten, z.T. überarbeiteten Beiträge zum Thema:

Erstmalig ging ich in "Corona-Virus und Lebensreform" im April 2020 eher jovial auf die Frage ein, wie die historischen Lebensreformer wohl auf Corona reagiert hätten - Stichwort: "Alltagsmaske" als Reformkleidung. Ich konnte nicht vorhersehen, was folgen sollte. 
Das Nachdenken über das "Verlorne Jahr" (September 20) war dysphorischer: 2020 fühlte sich wie ein verlorenes Jahr an, v.a. wegen ausgefallener Reisen, und mir fehlte die Perspektive: Wann "geht" Covid-19 wieder? Was kommt dann?
Sodann fragte ich im November 2020, ob überhaupt "eine andere Politik wählbar ist". In diesem Land fühlte es sich nach Meinungsdiktatur an. Mittels Lockdown soll Gehorsam antrainiert werden, was beim sprichwörtlichen deutschen Untertanengeist einfach sein dürfte.
In "Die Luft zum Atmen" thematisierte ich im gleichen Monat, wie die Wut zur Angst wird, wie sich die Frage nach einem Impfzwang in den Vordergrund stellte. Wie würde ich in meinem Berufsfeld weiterarbeiten können, wenn ein Impfzwang käme? Das Gefühl, "das ist nicht mehr mein Deutschland", überwog.
Unter dem Titel "Corona-Finale" sprach ich im Dezember 2020 von surrealen Umständen, von Fassungslosigkeit angesichts dessen, was ich beobachtete. Ich fragte überspitzt, ob wieder die Zeiten kämen, in denen morgens früh anonyme, abgedunkelte Autos Nachbarn "abholten", um sie zur Zwangsimpfung zu fahren. Gab es zuvor in der Bundesrepublik eine übergriffigere Regierung?

Zentral ist für mich der Text von Juni 2021 "Corona - ich bin raus! Ein kleines Manifest..." Ich fragte, worauf ich mich ausrichten müsse in "Zeiten der Pandemie" - auf das "gute Leben", Reisen, wenn es möglich ist, die Religion.

In "Wartet, bis der Herbst kommt" klang ich sehr desillusioniert, sprach von den Daumenschrauben - und kurz darauf mußte ich im September 21 eingestehen: Ich habe kapituliert. Aus verschiedenen Überlegungen und Zwängen heraus habe ich mich für die "Gentherapie" entschieden/entscheiden müssen(?). Eine große private Niederlage.

Daß ich nach zwei Gentherapie-Spritzen 2021 bereits im Frühjahr 2022 nicht mehr ohne Zusatz-Test im Fitneß-Studio trainieren oder im Gesangverein singen durfte, darüber habe ich gar nicht mehr geschrieben. Es war dann alles gesagt. Aber jeden einzelnen Tag – auch heute noch – denke ich an meine Kapitulation mit einer Spannbreite zwischen Verwunderung und Selbstverachtung.

Note to self: Wenn das nächste Virus da ist, lieber Themen sammeln und dann wenige, längere Artikel mit fundierten Aussagen schreiben.

Thema Querdenker und Lebensreform hier im Blog (2021-2022)

Ein Thema vor vorübergehender Löschung des Blogs war die mutwillige Verknüpfung von heutigen „Querdenkern“ mit Protagonisten und Themen der historischen Lebensreform. Was ich dazu ab Dezember 2021 geschrieben habe, ist hier noch einmal in Kürze verlinkt:

Erstmalig schrieb ich im Dezember 2021 nach einem SPIEGEL-Artikel darüber, daß v.a. zwei Autoren – Andreas Speit und Steffen Greiner – offenbar die sogenannten Querdenker auf die historischen Lebensreformer rückbeziehen. In „Querdenkende Lebensreformer?“ griff ich das erneut auf, ebenso in „Wenn’s Greinert und Speit„, kurz und ohne eigene Gedanken zu formulieren.
Zunächst setzte ich mich dann mit Speit auseinander und schrieb zu seinem Buch eine Kurzrezension.
In drei Teilen befaßte sich der Österreichische Rundfunk (Ö1 Radiokolleg) zwischenzeitlich mit dem gleichen Thema, worauf ich Teil für Teil kritisch einging.
Nach langem Ringen mit mir (solche Lektüre führt gern zu Magenbeschwerden und hohem Blutdruck) folgte der Text zu Greiner.

Abschließend arbeitete ich heraus: Es gibt keine dritte Lebensreformbewegung. Damit ist aus meiner Sicht erstmal alles gesagt.

Urlaubspläne 23: Athos und Backpacking auf Kreta

Die Corona-Maßnahmen sind an Ostern ausgelaufen – man soll es kaum für möglich halten… Von den bekannten Maßnahmen – vom Wegsperren der Menschen bis zu quasi-faschistoidem Anprangern Ungeimpfter – hat mich die Einschränkung der Reisemöglichkeiten am meisten getroffen. Wir haben ca. 300€ durch eine Absage in Südfrankreich verloren; der Camino mit meinem Sohn im Sommer 2020 – es war der Beginn der Vía del Plata geplant – konnte wegen gekündigten Flügen nicht stattfinden. Ich stelle das Reisen in diesem Beitrag heraus, ohne den Rest „hintanzustellen“. In meinem kleinen „Manifest“ hatte ich vom Guten Leben gesprochen. In den Wintermonaten habe ich mir in Evernote ein Notizbuch eingerichtet, das genau diese Bezeichnung trägt: Gutes Leben.

Unter Gutem Leben verstehe ich ein Wohlergehen von Körper und Geist. Die Themen sind doch sehr unterschiedlich, aber für mich Facetten des angestrebten Ideals. Neben Epikur  steht eine Konzeption für Work&Travel, neben Anarchismus das Erlernen der griechischen Sprache, neben Minimalismus der für Mai geplante Handpan-Kurs – alles abgerundet von meinen Playlists „Nude on the Beach„, New Age, Notizen zu Ernährung und Reiseplänen. „Urlaubspläne 23: Athos und Backpacking auf Kreta“ weiterlesen

7 vs. Wild – Staffel 2

Im Grunde war nach dem überragenden Erfolg der ersten Staffel klar, daß Fritz Meinecke sich die Chance nicht entgehen lassen würde, das Konzept – verändert – fortzuführen. Meinecke, der sich seit dem Ende der 1. Staffel einen bezahlten Kameramann auf seinen Touren leistet, dafür aber nach wie vor ohne Führerschein unterwegs ist, ist Geschäftsmann, das merkt man immer wieder. Doch das ist wohl auch dem Medium „YouTube“ gezollt: wer da nicht mit „content“ ständig präsent ist, wird vergessen. Über die Vorbereitungen zu 7 vs. Wild 2.0 berichtete er auf seinem Live-Kanal. Die Serie, deren 3. Staffel gerade angekündigt wurde, hat eine eigene Wikipedia-Seite bekommen.

Ich habe diese 2. Staffel von der Ankündigung bis zur letzten Episode verfolgt und möchte kurz dazu eine Einschätzung abgeben. Aktuell hat Meinecke einen eigenen 7-vs.-Wild-Kanal auf YouTube erstellt, wo nun „Uncut“-Videos der Teilnehmer hochgeladen werden. „7 vs. Wild – Staffel 2“ weiterlesen

Es gibt keine dritte Lebensreformbewegung

Ende 2021 wurde ich auf die beiden Autoren Speit und Greiner aufmerksam, weil ich Nachrichten auf das Stichwort Lebensreform filtere. Plötzlich war da die Rede von den Querdenkern, den Coronaprotesten – und der Herkunft aus der Lebensreformbewegung. Speit propagiert eine „dritte Lebensreformbewegung“, also die klassische Epoche erweitert um die Alternativbewegung der 70er/80er Jahre. Greiner greift das auf, sieht aber statt drei Wellen eher eine ungebrochene, typisch deutsche „Traditionslinie“ von der Romantik über die Nationalsozialisten und Querdenker hin zu künftigen Mono-Gesellschaften und Blut-und-Boden-Staaten. (Beide Links gehen zu meinen Eindrücken von diesen Büchern.)

Zugegeben: ich war vor den Kopf gestoßen, fühlte mich angegriffen. Ich beschäftige mich lange mit der Lebensreformbewegung, sie ist mir lieb und wichtig geworden. Natürlich weiß ich um die völkischen Elemente, Rassegedanken und ähnliches – das war aber kein Schwerpunkt in meiner Beschäftigung mit der Lebensreform. Ich habe Surén und Ungewitter im Regal stehen, aber das ist nicht „meine Literatur“, wenn ich an Lebensreform denke. Nehmen wir als Beispiel den Naturismus: mich interessiert die Körperkultur, das gute, sportliche Leben, der Einklang mit der Natur. Gar nicht interessiert mich, ob solche sportlich geformten Körper dann für „rassereine“ Nachkommen stehen. Ist nicht mein Thema.

Und hier kommen nun zwei Autoren, die die Lebensreform auf rechts drehen und sie quasi als Sprungbrett sehen: Wie auch immer man springt, mit Drehung oder rückwärts oder kopfüber – man landet immer im Sammelbecken „Querdenker“ = Rechtsextremismus.  „Es gibt keine dritte Lebensreformbewegung“ weiterlesen

Greiner – Die Diktatur der Wahrheit

Auf meinem Lesetisch liegt Greiners „Wahrheit“, ein vom „Inflationsheiligen“ Ludwig Christian Häusser genommener Titel. In die Hand genommen, weggelegt, wieder angelesen, zurück ins Regal gestellt. Ach komm, da muß ich doch mal durch.
[Erste Auflage 2022, Taschenbuch, Tropen-Verlag]

„Greiner – Die Diktatur der Wahrheit“ weiterlesen

Indianer bei Ravensburger

Bekanntlich hat der Ravensburger Verlag neue Indianer-Bücher in der Erzähltradition von Karl May aus dem Verkauf gezogen, nachdem „Personen“ sich über Rassismus und kulturelle Aneignung beschwert hatten. Die ARD zog nach: die klassischen Winnetou-Filme mit Pierre Brice und Lex Barker werde man nicht mehr ausstrahlen.

Mein Indianerbild hat sinnigerweise genau dieser Ravensburger Verlag mit dem nebenstehenden Buch von 1977 geprägt. Geschrieben wurde es – und bereits 1961 bei Ravensburger erstveröffentlicht – von Oliver La Farge, der – daran sollte man Ravensburger mal erinnern – zeitlebens für die Rechte der amerikanischen Ureinwohner, die er studierte, über die er schrieb, eintrat. Der Band wurde in die Bestliste (sic!) des Deutschen Jugendbuchpreises aufgenommen. Da war die Welt noch in Ordnung. „Indianer bei Ravensburger“ weiterlesen

Lubenow: Vier Frauen am Meer (Kurzrezension)

Der Roman von Svea Lubenow spielt im Jahr 1925 im v.a. Fischländer Ort Ahrenshoop an der Ostseeküste, der u.a. für seine Künstlerkolonie bekannt ist.
Protagonistin, möglicherweise mit biographischen Anteilen der Autorin, ist Gitta, die sich von ihrem Elternhaus emanzipiert, zunächst durch Beitritt zu einer lebensreformerischen Loge, dann durch Umzug nach Ahrenshoop, wo sie mit drei anderen Frauen ein Schneideratelier für expressionistisch gestaltete Kleider gründet.

Für die schon 26-Jährige heißt Emanzipation auch Suche nach einem Mann. Der Erste entpuppt sich als „Windbeutel“, auch wenn er „wild und verwegen anmutete wie ein Freibeuter“, der zweite braucht „Auftauzeit“, um zum Finale Grande zu kommen. „Lubenow: Vier Frauen am Meer (Kurzrezension)“ weiterlesen