Die letzte Chance der Kirche – vertan.

In der vergangenen Woche war ich am Freitagabend in unserer Kirche – zusammen mit nur sieben weiteren Personen. Ich saß ganz allein im rechten Mittelschiff, die anderen auf der linken Seite. Ein Schönstatt-Pater, Kooperator unserer Gemeinde, hat die Messe gehalten. Er predigt am Freitagabend nicht, erklärt aber meist den Tagesheiligen und bezieht diese Frau oder den Mann in die Gebete und Fürbitten mit ein. Regelmäßig wird für die verfolgten Christen gebetet, war mir gerade diesen Priester sympathisch macht.
Auch in unserer Gemeinde ist die Messe zu einem Streaming-Event geworden. Ein Onkel, der am Wochenende zuvor die Messe am Sonntagmorgen besucht hatte, sagte, auch da sei es eher leer gewesen.

Haben sich die Menschen daran gewöhnt, daß die Messe zu ihnen über Bildschirme kommt? Mein Vater, ja, aber der ist auch Ende 80 und gehbehindert. Er schaut täglich mindestens drei Messen im Fernsehen, auf KTV und EWTN. Wenn ich da bin und wir uns miteinander unterhalten, passiert oft genau das, was manche Kirchenoffiziellen kritisieren: da wird über die heiligen Handlungen im Fernsehen hinaus gequatscht. So in der Art: (Hintergrund) „Denn am Abend, an dem er ausgeliefert wurde…“ „Machst du mir heute die Linsensuppe warm?“ … 😉

Aber gut, das ist Teilhabe, wie sie ihm und anderen möglich ist. Ich kann auch verstehen, wenn jemand nicht mehr in die Kirche kommt, weil er glaubt, sich anstecken zu können. Doch das „Streaming“, bei dem man allerlei andere Dinge erledigen kann, liegt im Zeitgeist. Eine Beziehung zu Gott baut man anders auf.

Reitschuster beklagt in einem lesenswerten Beitrag, die Entwicklung der christlichen Kirchen, die schon vor Corona angeschlagen waren, in seinen Worten: die Kirche als Player in einer linken Zivilgesellschaft. Zitat:

„Nicht die Pest, sondern Corona heißt die Seuche. Die meisten Berliner leben immer noch. Die Kirchen aber scheinen gestorben zu sein. Ich glaube, sie starben an dem fehlenden Glauben an Gott und Jesus Christus.“

Noch heftiger formuliert Fabian Nicolay auf der Achse:

„Diese neugefasste Kirche hat sich als ein wetteiferndes, anthropozentrisches Artefakt über das empathische Gebäude des Christentums gestülpt, das nach außen Modernität herbeilächelt, aber nach innen maliziös den Glauben an Gott auffrisst.“

Dabei entstehe eine neue „verweltlichte Kirche“, so der Autor, was ich mit dem Hinweis auf den „synodalen Weg“, von dem Kritiker sagen, daß die deutschen Katholiken damit ein Schisma betreiben, unterstreichen möchte.

Ich sehe es so: die Kirche ist angeschlagen und angezählt, die Mitglieder verlassen sie:

  1. Da sind die unschönen Mißbrauchsskandale, die jedoch zum Teil so aufgebauscht werden, als bestünde die katholische Kirche zu 90% aus Kinderf*ckern, als wären diese konkreten Individuen, die schuldig geworden sind, DIE katholische Kirche.
  2. Dann ist da die „narzisstische“, individualisierte Gesellschaft, in der die  Menschen Probleme damit haben, jenseits ihres Egos Gemeinschaft oder gar Gemeinschaft mit Gott zu sehen.
  3.  Letztlich steht die Kirche in einem massiven Spannungsfeld zwischen Tradition und dem Hinterherlaufen dem, das die evangelische schon „ganz progressiv“ verändert hat. „Alte Messe“ oder Protestantisierung, das ist die spannende Frage, die sich garantiert nicht hin zu „Alte Messe“ entscheiden wird, die ja gerade vom  Papst ganz klar gebannt wurde, um es vereinfacht zu formulieren.

Diese Kirche(n) hätte in der Corona-„Pandemie“ die große Chance gehabt, flächendeckend und konzertiert Angebote für die Menschen zu machen, sich als wirklich caritativen Begleiter in schwerer Zeit erneut zu etablieren. Diese Chance hat sie verspielt. Wer, wie im Beispiel unserer Gemeindekirche, die Kniebänke hochklappt und festbindet, damit man beim Knien nicht durch zu wenig Abstand andere „ansteckt“, der sagt doch im Grunde: „Bleibt lieber alle weg.“

Ich bin überzeugt davon: Die Menschen, die jetzt „wegen Corona“ weggeblieben sind, die werden nicht plötzlich wieder zu Hunderten die Kirchen füllen. Wer bleibt und weitermacht, das sind die „progressiven“, pseudo-protestantischen Elemente wie „Maria 2.0“. Diese werden „ihre Kirche“ so umformen, daß sie zusammen mit der evangelischen in der Bedeutungslosigkeit versinken wird.

Nachtrag 4.2.22: Artikel von Birgit Kelle – Wir bleiben!

Nachtrag 4.2.22: Noch ein sehr (!) lesenswerter Nachtrag von Felix Honekamp.

Nachtrag 11.3.22: Bischofskonferenz befürwortet  Waffen-Lieferungen an die Ukraine…

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