Grañon bis Villambistia (CF18)

[Die Seite ist Teil des Berichts über meinen Camino Francés 2015.]

Manchem mag es übertrieben vorkommen, was ich über die Donativo-Herberge in Grañon schrieb, aber mich trieb es morgens ganz früh fort. Schnell ein Brot, eine Tasse Kaffee, Spende in die Kasse, Stirnlampe an und los. Ich merkte, daß es nun in der zweiten Septemberhälfte doch morgens wesentlich länger dunkel war. Die ersten Bilder von den wenigen Lichtern hinter mir in Grañon vor dunklem Feld machte ich gegen 7:30 Uhr – da war es noch ziemlich dunkel um mich herum. Über dem Ort lag eine geschlossene, dunkelgraue Wolkenschicht. In den Straßen von Grañon standen vor mehreren Häusern Wasserflaschen, die offenbar für die Pilger und zum Mitnehmen gedacht waren. Ob das eine (schöne) Sonntagstradition ist oder jeden Tag so gemacht wird, weiß ich nicht.

 

Noch im Dunkeln endete meine Wegstrecke durch die Rioja und ich überschritt die Grenze zur autonomen Gemeinschaft Castilla y León. Kastilien! Herz Spaniens! Ursprungsort der heutigen spanischen Sprache, des Castellano. Und im nördlichen Teil die große, steppenartige Hochebene der Meseta. Ich kam dem für mich in der Planung wichtigsten Abschnitt des Jakobsweges immer näher…

Der heutige Tag war wettermäßig zweigeteilt: Am Morgen Dunst, der beständig über der Landschaft hing, eine trübe, bleiche Stimmung, und der den trostlosen Orten am Weg noch mehr Hoffnung nahm. Ab dem Mittag dann blauer Himmel und 25°C oder mehr.
Redecilla del Camino, insbesondere Castildelgado, ja, bis hin nach Belorado – verfallene Häuser und Mauern, trister grauer oder sandfarbener Stein, keine Menschenseele auf der Straße, wenig Bars oder Cafés, nur Katzen und ab und an Hunde, die die Pilger bestaunten. Mittendrin ein häßlicher, ungepflegter Friedhof mit Müll und Plastikblumen.

In Belorado hatte sich der Himmel geklärt, das Blau kam durch. Hier steht eine der meistfotografierten Kirchen, die Marienkirche, da der Glockenturm mindestens vier Storchennester trägt, und sich im Innern ein Jakobusaltar, der den Apostel sowohl als Pilger als auch als Matamoros zeigt, findet. Hinter Belorado, bei Tosantos, waren Höhlen im steilen Fels zu erkennen sowie eine kleine Kapelle. Das ist die Ermita de Nuestra Señora de la Peña aus dem 12. Jahrhundert. Der Legende nach sollen sich die Menschen in den Höhlen vor den Mauren versteckt haben, später wurden diese dann von Einsiedlern als Wohnstätten genutzt.

Nach 23 Kilometern kam ich in Villambistia an und überlegte, ob ich noch fünf bis nach Villafranca Montes de Oca weitergehen sollte, aber dazu hatte ich nicht so viel Lust. Also schaute ich hier im Ort nach einer Herberge, die ich in einem kleinen Haus mit Bar fand, das komischerweise in Google Maps als „Rathaus“ bezeichnet wird. Während ich in der Bar wartete, bis die Zimmer geöffnet wurden, und das große Schild las, das Pilgern untersagte, beim Aufenthalt in der Bar die Schuhe auszuziehen, lernte ich Robin und Shelley aus Neuseeland kennen. Die beiden Frauen würden fortan immer wieder meinen Weg kreuzen – und die letzten Tage bis Santiago pilgerten Shelley und ich gemeinsam.

Dem eng mit Betten zugestellten Schlafraum mit toter Bettwanze auf der Matratze stand eine überaus nette Wirtin gegenüber: als ich mir eine kleine Tüte Chips kaufen wollte, sagte sie: „Ach, wozu das denn?! Wir haben Nüsse und Oliven aus eigener Produktion!“ Also bekam ich zu meinem Glas Rotwein sehr leckere Oliven, dann noch Nüsse – kostenlos.
Das Schöne an solchen kleineren Herbergen, die oft auch familiär betrieben werden, ist die Atmosphäre, die auch auf die Pilger übergreift. Ich erinnere mich an ein sehr gemütliches Abendessen aller Pilger, das heißt, die Wirtin hatte für uns alle gekocht und es gab Hühnchen im Schmortopf (pollo guisado) – ein Genuß! Mir fiel wieder die Aufgabe zu, zwischen Robin, Shelley und einem Franzosen ein wenig zu dolmetschen, was aber mit eingerostetem Schulfranzösisch nicht wirklich einfach war.

Was habe ich mit Robin und Shelley besprochen, während wir auf der Dachterrasse in der Sonne saßen? Nun ja, solche Camino-Bekanntschaften fangen immer ähnlich an: wo kommst du her? Warum bist du hier bzw. was suchst du auf dem Camino? Was machst du beruflich? Bei Robin merkte ich gleich, daß sie mich auch als Mann abcheckte und mich verbal ein wenig „aus der Reserve locken“ wollte. Das war ihre Art, eine ganz andere als Shelleys. Ich war später noch mal eine ganze Tagesetappe allein mit Robin unterwegs, was durchaus unterhaltsam war, aber „warm“ wurden wir zwei nicht miteinander.
Als ich gegen 20 Uhr draußen am Brunnen saß und mein Memo aufsprach, wurde der Ort, in dem ich vorher kaum jemanden gesehen hatte, lebendig. Mehrere Traktoren fuhren lärmend vorbei, Kinder und Hunde sprangen umher. Das ist typisch für Spanien; selbst hier im Norden wird die Siesta ernstgenommen.

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