Los Arcos bis Viana (CF14)

[Die Seite ist Teil des Berichts über meinen Camino Francés 2015.]

Heute sollten es nur 18,5 Kilometer werden, die weiteren 10 bis Logroño hatten wir zur Vorsicht vertagt, aber es lief alles perfekt, die Hüfte tat nicht mehr weh. Allerdings nahm ich auch noch weiter (vorsorglich) Ibuprofen wegen der entzündungshemmenden Wirkung.
Los ging es mit einem fantastischen Sonnenaufgang: man hat diesen ja auf dem Camino Francés immer im Rücken, so daß man innehalten und sich umdrehen muß. Die lange gerade Strecke bis Sansol auf planem Kiesweg war einfach gut zu laufen. Großartige Naturstimmung, mächtige Wolkenberge, etwas Wind, alles vom strahlenden Gelb der Sonne erhellt.

Kurzer Halt an einer Bar, Kaffee und Cola, und weiter ging es durch heute recht einsame Gegenden. Manchmal konnten wir Logroño bereits in der Ferne erahnen.
(Ich trank im übrigen meistens Mineralwasser, das ich in Halbliterflaschen kaufte und in Außentaschen des Rucksacks mitführte, an die ich auch gehend herankam, weil es neben der Öffnung oben auch eine an der Seite gab. Nur erwähne ich das Wasser nicht, sondern in der Regel das, was ich in Bars trank, von daher spreche ich öfter von Kaffee und Cola, obwohl ich deutlich mehr Wasser trank.)

In Torres del Río befindet sich die Templerkirche Iglesia del Santo Sepulcro aus dem 12. Jahrhundert. Wir hatten gerade in Sansol gerastet, so daß wir an ihr vorübergingen – auch so eine „verpaßte Gelegenheit“, die ich im nachhinein bereut habe. Hinter dem Ort geht es über einen Hügel und dann in eine Schlucht, die, soweit ich mich erinnere, Kerkeling (2007) als übersät von Tausenden Steinmännchen beschreibt. Tatsächlich fand sich eine Anhäufung kleiner Steinmännchen mit etlichen anderen Dingen wie z.B. zurückgelassenen, kaputten Schuhen, ausgedruckten Gebetstexten, aber nicht in dem Umfang, wie Kerkeling es beschreibt (aber das war ja auch 14 Jahre her).

Andererseits zeigt gerade diese kleine Episode, wie unterschiedlich einzelne Pilger ihren Camino wahrnehmen: Ich habe noch nicht erwähnt, daß Helga viel gefilmt hat. Hier nahm sie mich auf, wie ich zwischen den Steinmännchen umherlief und einzelne Texte der Zettel laut vorlas. Später schrieb sie in einer Mail, das sei ihr „Video-Highlight“ der zwei gemeinsamen Wochen gewesen. Nun, mir war gerade diese ominöse Steinmännchen-Schlucht nur am Rande in Erinnerung geblieben.
Auf einen Stein hatte jemand geschrieben: „Jeder Tag ist eine Reise und die Reise an sich ist das Zuhause.“

Wir rasteten noch einmal, hielten die Füße an die Luft, aßen die „Frutos secos“, die es überall zu kaufen gibt, im Grunde nichts anderes als etwas maislastiges Studentenfutter.
Bald kam Viana mit seiner wenig schönen Vorstadt in Sicht. Wir entschieden uns, gleich in der ersten Herberge (Izar) zu bleiben, was aber auch bedeutete, daß wir zur Altstadt später noch ein Stück bergan laufen mußten, da sie auf einem Hügel liegt (immerhin ohne Gepäck).

In Viana fand ein Fest zu Ehren der Virgen de Nieva statt (Hlg. Jungfrau des Schnees; Stadtheilige ist jedoch Maria Magdalena mit großem Fest im Juli), zu dem es Umzüge mit ca. 3m hohen Puppen gab, Stierkampf in einer Behelfsarena auf dem Marktplatz sowie ein Stiertreiben durch die Gassen. Leider bekamen Helga und ich davon nichts mit, weil wir schlichtweg zur falschen Zeit am falschen Ort waren, das heißt wir hatten uns nach dem Einchecken in die Herberge kurz frisch gemacht und waren dann in den Ort gegangen, hatten ein paar Tapas gegessen, eine Runde gedreht und waren wieder zwecks „Päuschen“ zur Herberge gegangen, als Männer anfingen, große Holztore vor einzelne Gassen zu schieben…
Daß man später Stiere durch diese getrieben hat, daß beim (unblutigen) Stierkampf wohl doch „Menschenblut“ floß, so daß der Krankenwagen jemanden ins Krankenhaus bringen und man wegen fehlender Ambulanz die Spiele abbrechen mußte, das wurde uns später erzählt.
Abends war es dann vor den ab ca. 21 Uhr wieder startenden Feierlichkeiten sehr ruhig; wir aßen unser Pilgermenü in einer der kleinen Gassen, sprachen mit einem älteren deutschen Pilger namens Klaus, der sich als weitgereist, welterfahren gab, aber doch vielleicht auch noch eine andere Seite hatte, wie wir bald erfahren sollten.
Mit Musik und viel Trubel ging der Abend weiter – und wir trafen auch noch mal Peter, wieder in Begleitung von Keith und Daphne.

Ich hatte schon erwähnt, daß ich immer wieder über das gemeinsame Pilgern mit Helga nachdachte und ihr letztlich sagte, daß ich spätestens ab Burgos (hinein in die Meseta) allein gehen wollte. Am heutigen Tag entschied ich mich, es Helga schon zu sagen, obwohl es noch gut 7 Tage bis Burgos waren. Ich wollte das einfach „klar haben“ für uns beide. Helga nahm es verständnisvoll auf, weil sie wohl auch spürte, daß mich das Thema bewegte.
Dann kam mir wieder der Gedanke an morgen: ich würde in Logroño gerne kurz die Kathedrale anschauen, Helga würde nicht mitkommen, aber auf meinen Rucksack aufpassen. Es hat halt auch große Vorteile, nicht ganz allein unterwegs zu sein…
Alles in allem ein schöner Tag: das verpaßte Stiertreiben ärgerte mich doch noch ein paar Tage, andererseits herrschte in der Altstadt eine so mitreißende, urspanische Stimmung, daß es einfach toll war, wenigstens etwas von dem Fest mitbekommen zu haben.

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