Ich habe neulich eine Sendung geschaut, die ich üblicherweise nicht schauen würde, also so Technokrams (Planet des Wissens), aber da es um Speichermedien im „digitalen Zeitalter“ ging, war ich neugierig. Immerhin kann man nicht viel falsch machen: USB-Sticks, externe Festplatten, Micro-SD-Karten – alle halten Hitze und Kälte relativ gut aus. Es kommt eben nur drauf an, die Daten redundant zu sichern und die Datenträger an verschiedenen Orten zu verwahren.
Aber … bei vielen der zum Teil sehr futuristischen Speichermethoden (DNA-basiert…) ist es mit der Lesbarkeit möglicherweise ein Problem. Selbst einen Microfilm kann man nur mit Lupe entziffern. Selbstredend kann man von USB-Sticks nichts mehr lesen, wenn Strom und Computer fehlen.
Da wurde nun ein Projekt vorgestellt, das „Memory of Mankind“ (MOM) heißt: Hier werden Daten auf hochfeste Keramikkacheln gebrannt, also herkömmliche Kacheln, wie man sie aus Badezimmern kennt. Text, Bilder, alles ist gut lesbar – notfalls mit Lupe. Diese Kacheln werden im Salzbergwerk von Hallstatt in Österreich eingelagert.
Die Betreiber sorgen sich darum, daß von der Masse digitaler Daten nur unwichtiges zurückbleibt oder wichtiges zum Beispiel gelöscht wird, weil der Inhaber eines Cloud-Speichers verstorben ist. (Klar, da kann man vorsorgen.) Sie fragen:
„Wie kann unsere Zeit bloß rekonstruiert werden, wenn der Beweis unserer Existenz aus Katzenbildern und Selfies neben Minecraft-, Fail- und Pornovideos besteht?“
In der o.g. Sendung sprach der Initiator des Projektes mehrfach von der „bottom-up“-Geschichte, also Geschichtsschreibung von unten, ein Begriff, unter dem verstanden wird, daß nicht die „offizielle“ Geschichtsschreibung „von oben“ und mit dem groben Blick für die wichtigsten Details zählt, sondern die persönliche Geschichte der Menschen „unten“. Jeder ist also bei MOM eingeladen, seine persönlichen Geschichten hochzuladen, damit sie archiviert werden können. Der Initiator sprach in der Sendung von einem jungen Brasilianer, der wöchentlich seine Tagebucheintragungen schicke.
Jeder, der mitmacht, erhält ein kleines keramisches „Token“, eine Art Münze mit 6,5cm Durchmesser, auf der Europas Umrisse abgebildet sind und sich zwei Linien dort schneiden, wo der Salzstollen liegt. Zudem ist der Umriß des Hallstätter Sees auf der Rückseite mit genauem Punkt des Stolleneingangs zu sehen. Wie sehr man dabei an zukünftige Gesellschaften denkt, die möglicherweise etwas über uns heute herausfinden wollen, zeigt dieses Zitat zu Sicherheitsmaßnahmen:
„Sobald der Eingangsstollen – aus welchen Gründen auch immer – nicht mehr gepflegt wird, beginnt er sich zu verschließen. In diesem 2km langen Stollen ist ein „Ariadnefaden“ verlegt: Alle 2 Meter Keramik-Täfelchen, auf denen mathematisch dargestellt ist: „Tafel 1 von 1000“, „Tafel 2 von 1000“, usw.
Alle 50 Meter fehlen ein paar, auch das ist auf den Tafeln angegeben. Ähnlich wie Irrwege oder Sackgassen in den ägyptischen Königsgräbern, soll diese Maßnahme Eindringlinge abhalten, die das MOM Archiv nicht verstehen könnten. An diesem Ort wurde bekanntlich schon in prähistorischer Zeit Salz abgebaut, und so soll verhindert werden, dass das Archiv zufällig durch „unreife“ Gesellschaften gefunden werden kann.“
Sollten diese zukünftigen Gesellschaften unsere Sprache(n) nicht mehr verstehen, so hilft ihnen ein „Pictionary“: Auf Kacheln sind Bilder zu sehen, die mit den entsprechenden Vokabeln beschriftet wurden, also so etwas wie ein „Grundwortschatz in Bildern“.
Die Tokens, die jeder erhält, der beiträgt, sollen vererbt werden. Dann, erstmalig im Jahr 2070, sollen sich alle Inhaber eines Tokens treffen, um darüber zu beratschlagen, ob das Archiv noch bekannt ist und ggf. Erweiterungen bedarf. Das klingt schon alles sehr spannend.
Wenn ich für mich so überlege, was ich beitragen könnte, dann ist das ganz klar mein Pilgerbericht vom Jakobsweg, der noch immer in der Mache ist. Da ich nicht weiß, ob andere Pilgerberichte bereits gelagert wurden, wäre dies ein Beitrag, der das Pilgerwesen in den ersten Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts beschreibt. Also muß ich jetzt mal etwas, sagen wir, „intensiver“ an der Fertigstellung arbeiten… 🙂