Ursprünglich las ich einen Artikel beim FOCUS über den Fernwanderweg E9, den ich aber (jetzt bei der Nachbearbeitung dieses Beitrags) nicht mehr finden kann.
Der Wanderweg führt über 400km zwischen Ahlbeck (Usedom) und Travemünde (Lübeck) „fast ausschließlich am Meer entlang“, hieß es dort. Der E9 als solcher ist allerdings erheblich länger, denn er verbindet die Ostsee mit dem Atlantik, wie man bei den Outdoorseiten nachlesen kann.
Wie oft bei solchen Meldungen schaue ich mal beim Buchhändler nach und fand einen Reisebericht von Klaus Hinrichsen, der 500km auf dem E9 gewandert war, Titel: Nicht quatschen, machen. Ich kaufte mir den Titel als Kindle-Ebook und schrieb dazu eine Kurz-Rezension:
„Bei meiner kurzen Beschäftigung mit dem Fernwanderweg E9 im Bereich der Ostseeküste bin ich auf das Buch von Klaus Hinrichsen: Nicht quatschen, machen, Untertitel: Wandern durch Mecklenburg-Vorpommern: Entschleunige dein Leben – Selbstfindung auf dem Ostsee-Wanderweg E9 gestoßen.
Das broschierte Bändchen von Books on Demand hat 100 Seiten – kurz für so eine lange Wanderung. Ich habe die Kindle-Edition gelesen.
Mich wundert hier genauso wie bei Nadja Klingers Alpenüberquerung die „Ahnungslosigkeit“, mit der Menschen sich auf solche Unternehmungen begeben. Da kommt man nicht auf die Idee, die Ausrüstung mal einzutragen, speziell den Rucksack, und schon gar nicht, die Wanderschuhe auf Testwanderungen „blasensicher“ einzulaufen. Deshalb geht es auch in Hinrichsens Werk v.a. um das Thema Blasen und die Schmerzen, die ihn (und den Leser) die gesamte Strecke begleiten. Unbegreiflich: gerade, wenn ich plane, ein Buch über so ein Unternehmen zu schreiben, bereite ich mich vor – und das heißt nicht nur Internetrecherche.
Ich würde mit dem Thema Blasen nicht beginnen, wenn es dem Hauptthema, der „Selbstfindung“ untergeordnet oder nur ein Randthema wäre. Das ist es m.E. leider nicht. Der Autor beschreibt zu Anfang ein Burn-Out-Problem, das ich gut nachvollziehen kann, so daß die Motivation zum Aufbruch authentisch herüberkommt. Doch dann wird es Etappe für Etappe deutlicher, daß v.a. zwei Dinge erzählt werden: a) die Wegfindung (sinngemäß: links gehe ich in die Dünenstraße, folge der Gabelung rechts, gehe hinab zum Strand, komme in XYZ an) und b) die Schmerzen beim Gehen.
Ganz selten teilt der Autor mit, was er denn tatsächlich den Tag über denkt, was er an Selbstfindung betreibt. Klar, es finden sich Allgemeinplätze wie „alles langsamer angehen“, nicht an die Zukunft denken, im Hier und Jetzt leben usw., aber was er denkt, abwägt, was ihn beschäftigt, das fehlt mir in einem Buch, das explizit mit Selbstfindung / Entschleunigung untertitelt ist. Im übrigen: Wäre ich mit solchen Blasen / Schmerzen diese Strecken abgehumpelt, wäre bei mir gar nichts von „Entschleunigung“ angekommen.
Der Autor schreibt nichtsdestotrotz flüssig und mit viel Humor. Man hat einiges zu lachen im Buch, auch wenn das durch die vielen Rechtschreibfehler etwas gemindert wird.
Schneller, als man sich wünscht, ist das Büchlein vorbei. Man muß über diese Kürze reden, denn sie paßt nicht wirklich zum Vorhaben, ein Buch über die Selbstfindung auf einer langen Wanderung zu schreiben. 7 oder 8 Stunden Wanderung lesen sich oft wie ein nüchterner Wanderführer von A nach B. Manchmal habe ich mich gefragt, was der Autor alles in diesen Stunden getan hat, welche Naturstimmungen er erlebt hat usw. Alles in allem bleibt das Buch – vor dem Hintergrund des mit dem Untertitel selbst gesteckten Ziels – hinter meinen Erwartungen zurück. Und dazu kommt noch, daß der Preis (Printversion 12,90, Kindle 9,99) für das Gebotene m.E. deutlich zu hoch ist.
Somit bin ich zwar nicht völlig enttäuscht, aber letztlich enttäuscht am Buch der fehlende Tiefgang.