Santiago de Compostela – Rückreise, Abschluß (CF44)

[Die Seite ist Teil des Berichts über meinen Camino Francés 2015.]

VORMITTAG

Der 17. Oktober, Samstag, war nun da, mein Abreisetag. Ich packte meinen Rucksack, duschte, schleppte dann alles nach unten zum Empfang, wo der Hospitalero die Sachen bis zum Nachmittag aufbewahren würde. Im Kathedralen-Büro sagte man mir, es gebe heute keine Führungen mehr aufs Dach in englischer Sprache. Ich hätte bei solchen in spanisch mitgehen können, dachte aber, daß ich viele Fachvokabeln wohl nicht verstehen würde. Also erst einmal zum Frühstück, wieder bei Barbantes.
Danach machte ich einen langen Spaziergang durch die Stadt: östlich an der Kathedrale vorbei, an der Azabachería neben dem Café Literarios. Diese Geschäfte verkaufen Schmuck aus Gagat, einem fossilen Holz im Übergangsstadium von der Braun- zur Steinkohle. Seit dem Mittelalter wurde das tiefschwarze Material für Trauerschmuck und Rosenkränze verwendet. Hier in Santiago sieht man ganz viel (und zum Teil sehr teuren) Schmuck aus „azabache“.

Im Norden ging ich bis zum Kloster San Martiño Pinario, dann östlich weiter durch kleine Gassen bis zu Capela de Ánimas (die Straße, durch die Shelley und ich beim Ankommen gegangen waren), weiter über den Cervantes-Platz nach Süden und bis ganz runter zum Parque da Alameda, einem wirklich großen Park, in dem viel los war: Jogger, Familien mit Kindern, Touristen. Ohne zu wissen, daß es ihn gab, fand ich den „Miradoiro da Catedral“, den schönen Aussichtspunkt auf die Kathedrale ca. 400m entfernt.

Lange saß ich dort auf der Bank – ich hatte soviel Zeit heute. Als ich Richtung Kathedrale zurückging, erlebte ich eine linke Demo, so komplett mit schwarzem Block, die etwas gegen Geld und Kapitalismus skandierte. Nun gut, ich ging im Il Encontro eine Pizza essen – meine allererste seit sechs Wochen – darauf hatte ich mich richtig gefreut. Zum letzten Mal setzte ich mich auf der Praza Quintana ins gleichnamige Café, wo mich der Wirt schon mit „Hola, mi amigo“ begrüßte. Ein letztes kühles Bier dort, dann weiter zur Praza da Obradoiro, wo ich noch gut eine Stunde saß und darauf hoffte, daß ich doch noch ein bekanntes Gesicht sehen würde…

Vielleicht John, Linda und Cathy? Die müßten ja eigentlich so zwei, drei Tage hinter mir gewesen sein. Oder Kenny aus Hongkong. Doch neben allerlei buntem Pilgervolk und einer Braut in ihrem leuchtend-weißen Hochzeitskleid sah ich niemanden, den ich kannte. (De facto habe ich John und Co. an diesem Tag um höchstens ein bis zwei Stunden verpaßt! Sie kamen vermutlich gerade an, als ich im Taxi Richtung Flughafen saß, das schrieb mir John später per Mail.) Meine Zeit war um, alle Bekannte und Mitpilger schon auf der Heimreise, mich hielt nichts mehr. Auf mein Memo sprach ich: „Adios, Santiago, ich komm‘ bestimmt mal wieder!“

ABREISE

Das Taxi kam pünktlich; ich wechselte mit dem Fahrer ein paar Worte in einfachem Spanisch, was dieser direkt dazu nutzen wollte, um mir mit über den VW-Abgasskandal zu sprechen. Sorry, sagte ich, das kann ich leider nicht „im Ansatz“ in Spanisch verpacken…
Am Flughafen ließ ich meinen Rucksack zum Schutz in Folie einwickeln, das hatte ich auf dem Hinflug auch schon gemacht. Dann war noch viel Zeit zum Warten. Im Restaurant des sehr übersichtlichen Gebäudes traf ich den Pilger aus Mannheim wieder, der mir einmalig in Molinaseca in der Herberge begegnet war, als ich dort mit den beiden deutschen Frauen zusammensaß. Seine Besonderheit: Er ist den Camino von seiner Haustüre aus bis Santiago in Etappen von je zwei Wochen Urlaub gegangen. Dafür hat er einige Jahre gebraucht. Zum Teil wurde er von seiner Frau mit einem Wohnmobil begleitet, in dem er dann auch übernachtete. Bald setzte sich aber jeder wieder an einen eigenen Tisch – die Wellenlänge stimmte nicht so.

Beim Check-In gab es diesmal eine etwas strengere Kontrolle. So mußte ich den Geldgürtel von Jack Wolfskin ausziehen, dieser wurde separat gescannt. Zudem wurde ich sehr genau abgetastet, aber OK, das ist für mich kein Problem, weil die Sicherheit aller Passagiere durch dieses Vorgehen erhöht wird.

Zur Boing 737 von Ryanair ging es ein paar Meter übers Flugfeld. In der Maschine stellte ich fest, daß ich richtig viel Platz für meine langen Beine hatte – kein Vergleich mit dem Airbus. Pünktlich hoben wir in der Dämmerung ab. Mitten über Frankreich sagte der Pilot, daß die Passagiere, die links sitzen, einmal nach unten schauen sollten, man sehe Paris und den Eiffelturm. Ha, ich saß links und hatte ihn schon vor der Ansage entdeckt. Welch eine großartige Sicht auf das am späten Abend hell erleuchtete Pariser Wahrzeichen! Das war noch einmal so ein kleiner Bonus zu diesen herrlichen Wochen in Spanien.

Wir landeten wohlbehalten auf dem Flughafen Hahn, wo wir wieder zu Fuß ein paar Meter übers Flugfeld gehen mußten. Auf dem Balkon des Flughafengebäudes sah ich dann schon meine Jungs und meine Frau stehen. Als ich in die Halle kam, liefen die beiden schon auf mich zu und warfen mich fast um vor Wiedersehensfreude. Mein Rucksack war das zweite Gepäckstück von allen, so daß wir schnell im Parkhaus verschwinden konnten. In anderthalb Stunden, so gegen 1 Uhr morgens, waren wir zu Hause…

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