1913 (F. Illies) – Kurzrezension

Illies zum Meißner-Treffen der deutschen Jugendbewegung im Oktober 1913: „Man beschließt, dass alle ‚Veranstaltungen der Freideutschen Jugend alkohol- und nikotinfrei‘ sind. Es ist kein Wunder, dass daraus keine Revolution wird. Alkohol- und nikotinfrei!“

Ich habe das Zitat herausgegriffen, weil es mich ein wenig ärgert, wenn Illies gerade zu diesem, von ihm stiefmütterlich behandelten Thema (Jugendbewegung, Lebensreform) eine flache Bemerkung macht und schon wieder beim nächsten Punkt angelangt ist.

Mit Blick auf die Kurzrezension zu 1900 bietet sich an, schnell ein paar Worte „zum Illies“ zu sagen, zum hochgelobten „Sommer des Jahrhunderts“. Beide Bücher sind ähnlich aufgebaut, schildern episodenhaft und aus verschiedenen Blickwinkeln ihr Thema. Der große Unterschied liegt darin, daß bei Michalzik ein tragender Ankerpunkt da ist, nämlich der Monte Verità: alle Erzählungen, alle Anekdoten und kolportierten Schrulligkeiten der Protagonisten werden zu diesem Berg hin rückgebunden. Bei Florian Illies ist das „nur“ eine Jahreszahl. Wir betreten das Jahr mit dem Thema Kafka und seiner Angebeteten Felice Bauer und verlassen es mit Arthur Schnitzler. Pro Monat werden etliche Namen ins Rennen geworfen, zu denen es keinen Hintergrund im Buch gibt. Personen treten auf, wieder ab, Beliebigkeit. Die Charaktere bleiben mir als Leser fremd, sie sind blaß. Viel wichtiger aber: ein Spannungsbogen fehlt gänzlich, was natürlich dem Thema Jahreslauf / 1913 geschuldet ist. Ich fand das Buch spätestens ab dem Monat Juli langweilig. Vielleicht spielt hier auch mit rein, daß sich das Buch fast ausschließlich mit der künstlerischen Avantgarde jener Zeit befaßt. Wer meint, der aufziehende 1. Weltkrieg sei hier vertieft Thema, der irrt.

Letztlich ist das Buch demjenigen zu empfehlen, der über die verschiedenen Kunstszenen jener Zeit bereits gut informiert ist und hier noch einmal ein Kondensat des Jahres 1913 lesen möchte. Ich konnte dem Buch nicht viel abgewinnen und habe die Monate ab August nur noch überflogen.

Aufbruch der Jugend (Ausstellung)

Passend zum Meißnerlager 2013 zeigt das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg vom 26.9.13-19.1.14 die o.g. Ausstellung mit dem Untertitel von der Jugendbewegung „zwischen Selbstbestimmung und Verführung“. Man kooperiert mit dem Archiv der Jugendbewegung auf Burg Ludwigstein.
Info

Meißner 2013

Im Jahr 1913 traf sich die Jugend, d.h. zumeist die in Wandervogel-Bünden organisierte, wobei studentische dominierten, auf dem (später so genannten Hohen) Meißner in Nordhessen zu einem ersten Freideutschen Jugendtag. Ich hatte das in diesem Beitrag bereits kurz angeschnitten und auch darauf hingewiesen, daß es eine Diskussion darum gebe, ob auch als „rechts“ eingestufte Bünde teilnehmen dürfen. Seinerzeit erhielt ich inoffiziell die Info, daß z.B. Freibund oder Fahrende Gesellen nicht kommen „dürfen“. „Meißner 2013“ weiterlesen

Jugendbewegung

Im Rahmen der Lebensreform hat mich schon länger das Thema „Jugendbewegung“ interessiert, allerdings habe ich bis dato darüber kaum etwas gelesen. Zwar besitze ich zwei alte Wandervogel-Liederbücher, nämlich den Zupfgeigenhansl von Hans Breuer aus dem Jahre 1913 (und da vorne ein Besitzvermerk von Juli 1913 eingetragen ist, kann es durchaus sein, daß das Büchlein auch beim Ersten Freideutschen Jugendtag auf dem Hohen Meißner mit im Gepäck war) sowie das Wandervogel-Liederbuch von Frank Fischer aus dem Jahre 1912 (für das gleiches gilt). Aber diese Büchlein entsprangen dem Interesse an Volks- und Wanderlied, also nicht dem an der Wandervogel-Bewegung als solcher. Aber doch sind sie ein Strang in diesem langsam sich formulierenden Wunsch nach weiterer Lektüre, weiterem Kennenlernen. Ein Meilenstein war für mich Der Wanderer zwischen beiden Welten von Walter Flex. Dieses Zitat ist mir seitdem immer präsent:
„Gelassenheit war eins seiner Lieblingsworte, in ihr sah er das Wesen menschlicher und männlicher Würde, heitere und lässige Sicherheit lag immer wie ein Glanz über seinem Wesen, und es war in ihr soviel menschliche Anmut wie männliche Würde.“
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