Monte Verità – der Film – jetzt im Kino

Der gestrige 16.12.21 war der offizielle Kinostart für den Schweizer Film über die Aussteigerkolonie auf dem Monte Verità. Ich habe vor einiger Zeit eine Info-Seite über den Film angelegt, auf der ich auch einige Pressereaktionen zusammengetragen habe. Leider kenne ich den Film selbst noch nicht.

–> Infoseite: Monte Verità von Stefan Jäger (Der Rausch der Freiheit)

Leben nach eigenem Gesetze

„Da heißt es, einmal, und sei es auch nur für kurze Zeit, in die Stille zu gehen, sich abzuschließen von aller Außenwelt – und auch die liebsten Menschen sind Außenwelt dabei – um sich selbst, seinen Rhythmus, seine Eigenart, seine geistige Selbständigkeit zu finden. Einsamkeit – und wäre es nur für einige Tage – braucht der Mensch, der sein Leben nach eigenem Gesetze leben will. Denn dies Gesetz muß erst gefunden werden unter den Schlacken, mit denen es Alltagsansprüche überschütteten.“

[Th. Mülhause-Vogeler, Freie Lebensgestaltung]

FKK in der DDR

… ist ein Phänomen gewesen, hervorstechend durch die irgendwie systemkritisch wirkende Unangepaßtheit der nackten Körper an den Stränden und Badeseen. Ich hatte kurz das Buch FKK in der DDR vorgestellt.

Beim Berlin-Besuch in der vergangenen Woche sahen wir uns die Gedenkstätte Hohenschönhausen an, das ehemalige MfS-Gefängnis. Im Museumsshop gibt es eine Unmenge an Literatur zu kaufen; ich wählte nur das kleine Bändchen von Ilko-Saschs Kowalczuk: Die 101 wichtigsten Fragen – DDR. Vom anvisierten Leserkreis her soll es einen ersten Einstieg in das System der DDR erlauben und das Interesse an Vertiefung wecken. Ich habe es mir als „Zwischendurch-Lektüre“ gekauft.

Der Autor geht ebenfalls auf das Phänomen FKK ein. 1954 von der SED verboten, wurde sie 1956 bereits wieder erlaubt – letztlich waren auch Parteifunktionäre FKK-Anhänger. Zunächst war die Freikörperkultur nur an einem Strandabschnitt bei Arenshoop (Fischland) erlaubt, doch in den 70er und 80er Jahren war sie so verbreitet, daß eher die „Textil-Badenden“ sich erklären mußten, so der Autor.

Was war so besonders an der Freikörperkultur im Osten Deutschlands? Hier bietet Kowalczuk folgende Erklärung an: „Fkk ermöglichte in der DDR, was sonst gerade trotz aller Versprechen nicht gegeben war: Gleichheit aller. (…) Die Allgegenwärtigkeit des SED-Staates zerbrach am Strand der Nackten.“

Interessanter aber finde ich diesen Aspekt, den der Autor nur noch kurz anschneidet: Kann es sein, daß FKK so beliebt war, weil es in der DDR keine medial allgegenwärtige Sexualisierung gab? Kann das auch der Grund dafür sein, daß die Freikörperkultur nach 1990 auch im Osten umso mehr an Bedeutung verlor, als das Westsystem dem Land übergestülpt wurde (meine Formulierung)? Ich glaube, da ist etwas dran. Ich werde zu diesem Thema (Fkk, Erotik, Sexualität) bald meinen alten Grundlagenartikel vom alten Blog überarbeitet nach hier übernehmen.

Neue Bücher (2)

buch011Ein paar neue Bücher erweitern meine Bibliothek, über die ich gern kurz berichten möchte.

Da ist Arno Vossens „Sonnenmenschen“ mit dem Untertitel „Sechs Jahrzehnte Freikörperkultur in Deutschland“. Vossen ist ein Pseudonym von Hermann Wilke, der ein prominenter Vertreter einer „faschistischen Freikörperkultur“ gewesen sei, wie es in Möhrings „Marmorleiber“ (Böhlau, 2004) heißt. Sinnigerweise erwähnt „Vossen“ im o.g. Werk sein eigenes Buch „Dein Ja zum Leibe“, das 1939 erschienen ist und die Zustimmung des rassepolitischen Amtes der NSDAP fand (a.a.O.), ohne Nennung eines Autors. Grundsätzlich ist das DIN-A5-Heft mit gerade mal knapp 40 eng und klein bedruckten Seiten aber ein guter Überblick über das Thema. Ich habe es bislang nur auszugsweise gelesen, daher nur als Eindruck: Vossen geht stark auf die organisatorische Seite der FKK ein – wann welcher Verein auftauchte, sich teilte, wieder verschwand usw. „Neue Bücher (2)“ weiterlesen

Barfuß bis zum Hals (Film)

barfu_-bis-zum-hals-posterDie FKK-Komödie von 2009, Barfuß bis zum Hals, hätte hier längst schon einmal erwähnt werden müssen. Nur vordergründig geht es um den unterdrückten Konflikt Nudisten vs. Textilunternehmer, vielmehr werden west- und ostdeutsche Biographien umrissen, insbesondere die Freikörperkultur als Gegenentwurf zum Leben in einer Diktatur. Der stärkste Teil des Films ist für mich das Anfreunden zwischen Helmut Steiner, dem Betreiber der „Sportgemeinschaft Freiheit“, und dem Textilunternehmer Dieter Lohe. Die gesellschaftlichen Unterschiede zwischen den Männern schmelzen v.a. aufgrund der offenen Art Steiners dahin.

In Nebensträngen geht es um verlorene und gefundene Liebe, um Eltern-Kind-Beziehungen, Aufklärung und Sexualität uvm. Der Film hat Schwächen, mir hat insbesondere die Darstellerin von Lohes Tochter nicht gefallen.
Damit ist eigentlich alles in Kürze gesagt: nette Unterhaltung für zwischendurch.

Der Winter ist da

Heute Abend stand wieder Stocklauftraining an, also „Nordic Walking“ mit Tempo und dem Ziel, die Ausdauer zu trainieren. Im Stockdunkeln zog ich mich warm an, draußen liegt Schnee. Mit den dicken Winterhandschuhen komme ich kaum in die Schlaufen der Stöcke, und der dicke Schal um den Hals läßt mich stocksteif in der Kälte stehen. Das Thermometer zeigt -8°C. Das ist ja noch gemäßigt, man darf nicht klagen.
Dann im Wald: alles ist still, eine weiße Winterlandschaft, Ruhe, die Sterne leuchten über uns, die Schuhe knirschen im Schnee, die Stöcke machen einen ganz anderen Knirschlaut, die Stirnlampe leuchtet munter 10m voraus.
Unser Atem steht vor den Mündern, das Gesicht ist eisekalt, Wasser gefriert in meinem Bart. Aber ansonsten ist es warm, ich friere nicht, genieße den Abend, sammle Kraft für die Kämpfe, die ich am Horizont für die nächsten Wochen aufziehen sehen kann.
Freiheit – ein ganz großes Wort, aber alles – auch große Worte – fängt klein an – nämlich genau dort im Dunkeln, wo wir durch den Wald laufen.
Die Gedanken gehen zurück zu den Sommertagen, an denen ich mit T-Shirt bekleidet durch den gleichen Wald lief, das dunkle Grün der Buchen als Decke wahrnahm, die mich schützt und einhüllt. Ich schwitzte, der Stoff war naß, ich lachte, holte weit aus und schritt mit noch mehr Intensität meinem Ziel entgegen.
Anders der Lauf in dunkler Winternacht: Ich bin das Leben, das über das Land geht, bin ein stückweit Wilder Jäger, ich lebe, während alles unter weißer Decke schläft oder gar stirbt. Ich trage mein Leben über den Schnee, widerstehe Kälte und Tod in weißer Einsamkeit. Ich bin Garant dafür, daß im Frühjahr neues Leben aus jeder Knospe sprießen wird. Mein federnder Schritt ist Widerstand.