Uralte Leiblichkeit

„Die Mystik ist eine Grunderfahrung uralter Leiblichkeit. Sie findet sich auch schon beim Tiere, wenn auch ohne das abstrahierende und personalisierende menschliche Bewußtsein. Wer daran zweifelt, achte auf die Physiognomie eines ruhenden Löwen oder auch nur einer Katze. Da ist sie schon, die Grundintuition von Innen und Außen, deren untrennbare Einheit, eine Einheit so plötzlich und überwältigend wie Blitz und Donnerschlag, eine Einheit, die auch den Urmenschen bewegte, der vor Millionen von Jahren über die Steppe blickte, eine Einheit vor aller Religion, und doch in aller Religion und mit aller Religion.“

Hans F. Geyer, Mystik am Ursprung und am Ende der Wissenschaft

Ein Buch mit Seele

Ein schönes und gut erhaltenes Buch ist in den letzten Tagen eingetroffen: Das Seelenbuch (der Gottesfreunde), herausgegeben von Dr. Alfons Heilmann. Es ist eine Anthologie bekannter mystischer Größen, man liest unter den ein- bis zweiseitigen Zitatbeiträgen am häufigsten die Namen Tauler und Seuse, dann auch Meister Eckhart, Mechthild von Magdeburg u.w.
Das gebundene Buch in Taschenbuchgröße stammt aus dem Jahre 1920; es ist für sein Alter sehr gut erhalten. Viele Bücher aus den 80ern sind vergilbter als dieses Werk. Jedes Zitat beginnt mit einer schmucken Initiale in blauer Farbe.

Es gibt viele Textsammlungen wie diese mit dem Untertitel „Perlen deutscher Mystik“, also ist es nicht so schwer, etwas vergleichbares zu finden. Das gibt es übrigens auch kostenlos im Netz: auf der Seite Mystik Aktuell, wo gerade heute der 1000. Beitrag erschienen ist, gibt es täglich mindestens ein Kurzzitat von einem (internationalen) Mystiker.

Mystik (3)

Steigt man in die Beschäftigung mit dem Thema Mystik ein, fällt nach ausgiebiger Literaturrecherche schnell auf, wo man genauer suchen und was man vernachlässigen kann. Mystik ist nicht gleich Mystik, jeder Autor hat seinen Schwerpunkt und seine Grundausrichtung. „Mystik (3)“ weiterlesen

Mystik (2)

Als ich am 9. Januar 1997 aus einem intensiven Traum aufwachte und eine Weile wachlag, hatte ich eine, wie ich damals notierte, „tiefe und endgültige Einsicht“, daß es ein ununterbrochen fließendes Sein gibt. Mein Wesen jenseits des flüchtigen Ichs ist Teil dieses Seins in der Form meines jetzigen Lebens als Mensch. Existiere ich nicht mehr in dieser Form, tauche „ich“ wieder in das Fließen des Seins ein – vielleicht um in ähnlicher Form noch einmal leben zu können. Ich „sah“, erspürte diese Einsicht, ein kurzer Moment mit einer Art Lichterlebnis, dann nahm ich mich wieder im Bett liegend wahr – mit einem ganz tiefen und ausgeglichenen Glücksgefühl. „Mystik (2)“ weiterlesen

Sehnsucht nach dem Absoluten (Ausstellung)

Von September 2011 bis Januar 2012 fand im Rietberg-Museum in Zürich die Ausstellung „Mystik – Die Sehnsucht nach dem Absoluten“ statt. Zitat aus dem Online-Archiv des Museums: „Das schwer fassbare religiöse Phänomen wird anhand von vierzig Mystikerinnen und Mystikern veranschaulicht: Ihr Leben und ihre Schriften zeigen beispielhaft, wie reich und vielfältig ihre spirituellen Erfahrungen waren. Die ausgewählten Mystiker stammen aus den grossen Weltreligionen – Christentum, Hinduismus, Buddhismus, Daoismus, Islam und Judentum – und decken einen Zeitraum von über 2000 Jahren ab.“

Mystik (1)

Dieser Text ersetzt einen umfangreicheren, älteren mit dem Titel „Visionssuche“, der nie veröffentlicht wurde. Ich will hier versuchen, meine spirituelle Entwicklung und insbesondere Suche zu umreißen, damit die Themenwechsel im Blog verständlicher werden (s.a. hier).

Ich war von der Beschäftigung mit den Katharern – mithin mit christlicher Spiritualität – wieder abgekommen, glaubte dies sei ein Irrweg. Ich definierte – flüchtig -, was Spiritualität für mich „leisten“ (blöder Begriff) können muß. Was heißt denn „klare Ablehnung monotheistischer Ansätze“? Von welchem Gottesbild sprechen wir? Ich las gestern im Buch „Kontemplation“ von Willigis Jäger: Jesus verwendete den Begriff „Vater“, um – in eher mystischem Verständnis – auf den Urgrund des Seins zu verweisen. Das ist für mich nachvollziehbar, das kenne ich gut, wenn in hochemotionalen Momenten auch mir das Wort „Vater“ über die Lippen kommt. Das ist eine Vorstellung jenseits des Bildes eines personalisierten Gottes, möglichst noch mit weißem Rauschebart. „Mystik (1)“ weiterlesen