Was für ein Tag! Auto springt nicht an – aber wenigstens das Auto, das mit seinen 270000km am Ende seiner Zeit mit uns steht. 10 Stunden gearbeitet, vorgearbeitet für morgen, wo ich auf einer Beerdigung im Verwandtenkreis sein werde. Schaut man sich das Leben des Mannes an, dem ich morgen das letzte Geleit gebe, versteht man, daß Leben immer überindividuell zu denken ist: mit Blick auf eine Gemeinschaft und deren Manifestation in einem (staatlichen) Gebilde, in einer Heilsgemeinschaft. Denn immer steht für mich eine einzige Frage im Raum, wenn das individuelle Leben eines Menschen beendet ist: was tatest du über deine singuläre Person hinaus für eine kollektive Idee?
Das ist im übrigen eine Frage, die ich mir selbst (zu Lebzeiten <harhar>) immer wieder in Erinnerung rufe. Sinnigerweise sprach ich vor Tagen mit einem psychisch kranken Mann, der mir aus Gustave Le Bons Psychologie der Massen zitierte. Er glaubt, seine Singularität solle von verbrecherischen Ärzten in einer Masse aufgelöst werden. Es ist m.E. doch genau umgekehrt: seine Erkrankung hat ihn in die Singularität geführt, die kein wahres Gegenüber mehr kennt, kein „Wir“.
Edgar Jung schreibt in „Die Herrschaft der Minderwertigen“: „Aber die Höhe einer Kultur beruht nicht auf dem Grad ihrer Geistigkeit, sondern ihrer inneren Gesittung. Diese Gesittung hat sich in den Handlungen der Menschen zu bewähren. Schon hier muß gesagt werden, daß, von diesem allein richtigen Gesichtspunkte aus betrachtet, der Individualismus sich in der Geschichte selbst gerichtet hat.“